»Don’t Play With the Rich Kids«, das neue Album von Ja, Panik ist draußen.
https://www.jungewelt.de/artikel/469540.pop-lost-in-önglisch.html
Lost in Önglisch
»Don’t Play With the Rich Kids«, das neue Album von Ja, Panik ist draußen
Von Eileen Heerdegen
»Karfiol«! Im berühmten Forum der eher linksliberalen (na ja) österreichischen Tageszeitung Der Standard hat ein Poster gewagt, Blumenkohl zu schreiben. Vielleicht auch noch Kartoffeln statt Erdäpfel – das lassen die united-members-of-austrian-Sprachpolizei nicht zu.
Die Rechten haben mit »Daham statt Islam« gut vorgelegt, aber selbst im Bobo-Vegan-Forum hieß es für mich (Rosenkohl statt Kohlsprossen, mea culpa!), Piefke, go home!
Anglizismen sind nämlich ziemlich nice, auch in Teilen der jüngeren Austro-Pop-Szene. Schon a bisserl weird, dass ausgerechnet Boomer Falco den Trend zum Denglisch (uuh, my fault – Önglisch of course) begründete.
Neben den Oberösterreichern der Band Bilderbuch haben sich vor allem die, ebenfalls 2005 gegründeten, Ja, Panik dieses Kunstgriffes bedient, und sind nun »lost in Berlin«. Sänger und Gitarrist Andreas Spechtl, Stefan Pabst (Gitarre, Gesang) und Sebastian Janata (Schlagzeug, Gesang) haben 2009 das kleine österreichische B wie Burgenland in Richtung dickes B wie Berlin, mit Zwischenaufenthalt in Wien, verlassen, seit 2014 komplettiert Laura Landergott mit Gitarre, Keyboard und Gesang die Gruppe.
»Don’t Play With the Rich Kids« – ein augenzwinkernder Verweis auf die greisen Schmuddelkinder, der Gutes verspricht. Zumal der Titel fast wie ein Teil eines corporate concepts mit »Kapitalismus Blues Band« wirkt, dem gelungenen neuesten Werk der Gruppe Die Türen, bei denen Ja, Paniks Frontmann Spechtl noch eine zweite Heimat gefunden hat.
Doch während die Türen mit »Grunewald is Burning« sprachlich wie musikalisch zünde(l)n, sind die Panik-Gitarrenwände und Shoegazing-Verzerrer allein noch kein »kämpferischer Indierock«, wie die Werbung verspricht.
Vielleicht, wenn man den Text komplett missversteht, wie etwa die Kollegin von laut.de, die ausgerechnet in »Facism is Invisible (Why Not You)« eine Anleitung zur Rebellion sieht und sich vor Begeisterung kaum noch einkriegt. Für mich erzählt das »Haus aus Finsternis« das Gegenteil, ist eine Warnung vor rechter Verführung. Lost in translation? Oder bin ich die Doofe? »Worte, die kein Mensch versteht, das wär doch wirklich schweinisch«, sang einst Willi Resetarits mit seiner Schmetterband.
Genau das bleibt bei guter Lyrik aber gar nicht aus, und ich mag es, wenn Texte uneindeutig sind, zum Denken anregen; Haltung allerdings könnte ausnahmsweise mal deutlich werden. Und ganz ehrlich: »Und wenn ich nicht schlafen kann / Singst du mich in den Schlaf, dann« oder »Ja, wenn das Meer wird fahren über die Antarktis / Dann hör mich sagen, ich bin froh, dass du jetzt da bist« (»Ushuaia«) reim dich oder ich schlag dich, ist das die beworbene »poetische Wortakrobatik«?
Ratlos widme ich mich meiner Lieblingsfrage – gestellt von Ada Blitz auf X: Bei welchem Song fangt ihr instant an zu weinen, weil er euch so touchy anvibed im Inneren? Und damit ist genau der Finger in die Wunde gelegt, mich berührt auf »Don’t Play With the Rich Kids« so ziemlich gar nichts.
Schon der Opener »Lost« bleibt stehen, bevor es interessant werden könnte, und »Mama Made this Boy«, die Hymne auf die stolze, mittellose Alleinerziehende ist eh lieb, aber Klassenkampf? Zur persönlichen proletarischen Heldin gesellt sich in »Dream 12059« ein »Heroes«-Wiedergänger, aber es hat schon Gründe, dass nur David Bowie klingt wie David Bowie.
Trotzdem freue ich mich ehrlich über die durchweg guten Kritiken für das Album. Es ist wichtig und schön, wenn gute Musiker, und das sind die vier allemal, Erfolg haben, wenn Künstler Achtung erfahren und mehr als die Hälfte des Mindestlohns verdienen.
»Ushuaia«, als letzter Titel des Albums, ist klug gewählt. Die leise Melancholie des gesungenen Teils endet in einem minutenlangen Kreischgitarren-Happening, das so trotzig gegen alles anspielt, das ich eigentlich hören möchte, und dabei so authentisch klingt, dass mir die geäußerte Kritik fast schon leid tut.