Kaschperltheater: Herbert Fritsch inszeniert Ferdinand Raimunds Zauberspiel »Die gefesselte Phantasie« am Wiener Burgtheater.
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Schmecke den Tümpel
Kaschperltheater: Herbert Fritsch inszeniert Ferdinand Raimunds Zauberspiel »Die gefesselte Phantasie« am Wiener Burgtheater
Von Eileen Heerdegen
Wer sich schon beim hüftschwingenden Auftritt eines Mannes in lila Breitcord mit exaltierter Sprechweise vor Lachen einlullert, wie meine Mutter gesagt hätte, der wird am Ende auf gut niederösterreichisch sagen, dass es »einmolik« war.
Ich bin tatsächlich oft überrascht, wie leicht Menschen zu amüsieren sind. Vielleicht kenne ich auch einfach nicht das Passwort, mit dem man an der Garderobe »Happy Pills« zugesteckt bekommt. Denn eigentlich wurde schon gekichert, als die begabten Schauspielschülerinnen und -schüler in blumigen Overalls und mit wasserleichengrünen Haaren die Bühne enterten und »Tulpen« oder auch »Gänseblümchen« riefen.
Soviel Vorfreude muss belohnt werden, und so gab es bald nicht nur einmal den Klassiker, der schon bei Louis de Funès nicht lustig war, sondern gefühlte 138mal: »Nein! Doch! Oh!« Brüller.
Aber Ferdinand Raimund ist ja selbst schuld. Der arme Kerl, der lebenslang unter einer Tollwutphobie litt, und sich schließlich 1836 mit nur 46 Jahren nach dem Biss seines (nicht tollwütigen!) Hundes erschoss, war insgesamt eine klassisch tragische Gestalt. Er träumte von der großen Liebe, nahm aber immer die falschen Frauen und war gegen sie auch noch gewalttätig. Der begabte und beliebte Komödiant und Possenschreiber sah sich selbst als Charakterdarsteller und zweiten Shakespeare. Gerade »Die gefesselte Phantasie«, ein wohl nicht zu Unrecht wenig gespieltes Werk von 1828, beweist sein Scheitern. Bei der Premiere an der Wiener Burg am 29. März 2023 in der Regie von Herbert Fritsch offenbart sich deutlich, dass es in dem Stück weder Lichtgestalten noch große Kunst gibt, sondern ausschließlich Lachnummern.
Aber muss man deshalb gleich ein niederschwelliges Kaschperltheater draus machen? Allerdings auf sehr hohem Niveau, was die schauspielerische Leistung betrifft. Wenn Markus Scheumann als Hofnarr seinen schon recht bemüht lustigen Monolog dann auch noch einmal rückwärts spricht, ist das eine grandiose Leistung, auch wenn ich das absolut nicht gebraucht hätte. Beeindruckend auch Tim Werths als Phantasie und Sebastian Wendelin als Harfenist Nachtigall, auch Sarah Viktoria Frick (Zauberschwester Vipria) und natürlich Bless Amada und Maria Happel als ungleiches Liebespaar sind einfach gut. Auf der Bühne gibt’s wohl sehr viel mehr Spaß als davor, alle sind bestens gelaunt und erledigen ihre Aufgaben mit Bravour. Körperlich präzise bis zu artistischen Einlagen und oft sogar wirklich komisch.
Herbert Fritsch zeichnet auch für das Bühnenbild verantwortlich, ein genialer Farbenrausch mit einfachsten Mitteln. Man fühlt wieder die kindliche Aufregung, wenn zu Weihnachten mit Buntpapier und groben Schablonen leuchtende Kunstwerke entstanden. Mit den gelungenen Kostümen von Geraldine Arnold (super: Maria Happel als Mischung aus Marienkäfer und Biene Maja mit dünnen Beinchen und lampionartig aufgeplustertem Bäuchlein) entstehen wunderschöne Bilder.
Die können aber nicht damit versöhnen, dass die gelegentlich an Machwerke wie »Der Schuh des Manitu« erinnernde Mixtur aus Mr. Bean, Jim Carey und diversen dummen Augusten mit einem Overkill an Slapstick und (leider oft dümmlichen) Kalauern alles erschlägt. Was hier Raimund selbst und was von der textbearbeitenden Dramaturgin Sabrina Zwach verbrochen wurde, ist nicht immer klar, aber »Seitanstechen« geht ganz sicher nicht auf Ferdls Konto. Den Witz mit Katarrh/Katar, bei dem nur ein balltretendes Bein angedeutet wurde, fand ich hingegen nicht so schlecht, das bekam aber viel weniger Lacher als »schwanger – oh, nein – schwang er« oder gar »schmecke den Tümpel, äh, schmücke den Tempel«.
Warum nicht gleich »Scheiße durch ein Sieb geschossen gibt die schönsten Sommersprossen«?