„Music for girls to dance to“ – die schottische Band Franz Ferdinand kam auf ihrer Tour glücklicherweise auch in Wien vorbei und sorgte trotz ungemütlicher Temperaturen in der Arena Open Air mit ihren „Hits to the head“ für heiße Köpfe und warme Füße. Hier der link zu meiner Rezension für die Tageszeitung „junge Welt“:
https://www.jungewelt.de/artikel/425731.pop-wozu-die-mädchen-tanzen.html
Wozu die Mädchen tanzen
Die ewig junge Britpopband Franz Ferdinand live in der Arena Wien
Von Eileen Heerdegen
Als Kind war ich erst in Graham Bonney und dann in Elton John verliebt. Also musikalisch war Elton John eindeutig die bessere Wahl. Mein Vater musste schließlich im Englandurlaub eine hohe Gebühr fürs Falschparken zahlen, weil ich darauf bestanden hatte, an der Telefonzelle auszusteigen und im Londoner Telefonbuch nach John, Elton zu suchen. Eine Teeniespinnerei, allerdings scheint es ein eine ganze Promiindustrie beschäftigendes Grundbedürfnis zu sein, jenen Menschen nahekommen zu wollen, die sich mit ihrer Kunst in unser Inneres schleichen. Andersrum ist es da schon ungewöhnlicher. »Alex Kapranos hat dir eine Freundschaftsanfrage geschickt.« Auf Facebook sind angeblich nur noch Alte, aber so alt kann frau gar nicht werden, dass eine solche Messengernachricht kein Herzklopfen auslöst.
Seit ca. 2004 konnten internationale Fans mit Franz Ferdinand alt und älter werden. Die allergrößte Freude haben sie mir 2015 mit dem Projekt »FFS« gemacht, einem Doppelalbum gemeinsam mit den unfassbaren Sparks. Das neue Album »Hits to the Head«, das auch die Setlist für die aktuelle Tournee bildet, dokumentiert eindrucksvoll die Entwicklung einer Band, die viel Mut zur Veränderung hat, es aber dennoch schafft, dabei authentisch zu bleiben. 20 zum Teil sehr unterschiedliche und doch perfekt zusammenpassende Hits, z. B. das frühe, sehr uniformzackige direkt aus den 80ern heranmarschierte »Michael« bis zu »Always Ascending«, dem Meisterstück aus 2018. Ebenfalls aus 2018 ist »Glimpse of Love«, das Frauenfeindlichkeit und Frauenverachtung zum Thema hat. Überhaupt positioniert sich die Band erfreulicherweise in bester britischer Tradition sehr eindeutig zu politischen Themen, für soziale Gerechtigkeit und gegen Trump und Johnson.
Ach ja, die Anfrage. Frontmann, Sänger und Gitarrist Alex Kapranos interessiert sich tatsächlich für seine Fans, und ich hatte ein unerwartetes Erlebnis. Let’s take a cup o’ kindness!
Aber dann warf das Leben wieder Knüppel zwischen die Beine oder auch auf die Straßenbahnschienen, jedenfalls hörte ich am 27. April kurz vor Erreichen der Wiener Arena leider, leider nur noch die letzten Schmachtfetzentöne von der Vorgruppe Ryder The Eagle. Nach den Videos im Netz zu urteilen, ein schräger Mix aus dem Wiener Austrofred und etwas Adam Green.
Zum Ende der Umbaupause wurde »In Every Dream Home a Heartache« von Roxy Music gegeben, ein kurzes Ausruhen vor der mitreißenden Show. Die Band springt genau in dem Moment auf die Bühne, als eigentlich die Zeile »… but you blew my mind« hätte kommen sollen – Zufall oder Plan?
Zwei neue Nummern komplettieren LP und Konzert: Das discofunkige »Curious«, das die Magie der ersten Momente einer möglichen Liebe feiert, nicht ohne sich die Frage zu stellen, mit der sich schon vorige Musikergenerationen plagten: »Will you still need me, will you still feed me, when I’m sixty-four«?
Und als kompletter Gegensatz »Billy Goodbye«, eine schnelle, schräge, zeitlos aus der Zeit gefallene Rocknummer, die die Erinnerung an die guten Momente verlorener Freundschaften beschwört und nicht verbergen kann, wie scheißweh es getan haben muss, als nach Gitarrist Nick McCarthy, der 2016 ging, schließlich 2021 auch noch »best buddy« und Drummer Paul Thomson die Band verlassen hat.
Die junge Audrey Tait als Nachfolgerin scheint allerdings eine sehr gute Wahl. Insgesamt war das Konzert in der trotz ungewohnter Eiseskälte gut gefüllten Arena Wien offensichtlich eine große Freude für Band und Publikum. Höhepunkt zum Schluss ganz sicher »This Fire« mit einer tausendstimmigen Woge »Burn this city!«
»Music for girls to dance to« – so haben Franz Ferdinand ihre Musik mal beschrieben. Dem ist wenig hinzuzufügen, außer der Tatsache, dass dort eindeutig auch viele Männer waren, die sich trauten, zwei Jahre Spaßverbot einfach wegzutanzen.